fashion x people
Erstklassig soll die Vintage-Mode sein, die Robin Balser mit seinem Unternehmen Vinokilo bietet. Warum Luftballons dabei nicht mehr helfen, Steamer aber schon, berichtet er aus seiner Zentrale im ehemaligen Kuemmerling-Werk im rheinlandpfälzischen Weinbaugebiet Bodenheim.
Interview: Alex Bohn // Fotos: Vinokilo
Auf Vintage-Mode hielt Robin Balser schon als Kind große Stücke. Denn seine Mutter kleidete ihn und seinen Bruder stets in Kleidung aus zweiter Hand. Aber nicht in irgendeiner, sondern in der seines Idols – des zwei Jahre älteren Nachbarsjungen Yanis. Für Robin Balser war klar: In dessen Klamotten war er cooler als jeder andere. Später studierte der gebürtige Rheinländer Wirtschaft in den Niederlanden, dann Schauspiel in London, brach beides ab und begann, eine Bibliothek für Kleidung zusammenzustellen. Die Idee: Warum Kleidung kaufen, wenn man sie auch leihen kann? Vor knapp zehn Jahren war die Welt für diese Idee noch nicht bereit, für seine zweite, das Secondhand-Unternehmen Vinokilo aber schon. Seit 2015 hat Balser sich als einer der größten Anbieter für Secondhand-Mode etabliert, das Wirtschaftsmagazin Forbes wählte ihn im letzten Jahr auf die Liste der vielversprechenden Unternehmer „30 under 30“ und würdigte ihn für die 240.000 Kilo Mode, denen er seit Gründung zu einem zweiten Leben verholfen hat.
Robin Balser
„Mode aus zweiter Hand ist nicht zweite Wahl. Sondern erstklassig. Die Art, wie wir Kleidung verkaufen ist qualitätsgetrieben. Auf unseren Events häufen wir sie nicht übereinander, sondern platzieren sie auf Bügeln und an Kleiderständern.“
Robin Balser, Vinokilo
Du hast für die Vintage-Mode, die Du mit Vinokilo anbietest den Begriff „The New New“ geprägt. Was bedeutet das?
Mode aus zweiter Hand ist nicht zweite Wahl. Sondern erstklassig. Die Art, wie wir Kleidung verkaufen ist qualitätsgetrieben. Auf unseren Events häufen wir sie nicht übereinander, sondern platzieren sie auf Bügeln und an Kleiderständern. Und legen die Finger zwischen die Bügel, so dass jedes Kleidungsstück genug Platz hat und schön präsentiert wird. Außerdem ist jedes Stück frisch gesteamt und wenn nötig durch kleine Reparaturen aufgearbeitet.
Lange galt das Vorurteil, dass Secondhand-Mode minderwertig ist, inzwischen bieten sie selbst Luxusmarken an. Als Du Vinokilo 2015 gegründet hast, war das noch nicht so, aber Secondhand-Shops gab es bereits viele. Was hat Dich an dem Thema gereizt?
Ich wollte eine Alternative zur Fast Fashion bieten. Mein romantisches Ideal war, dass wir zweimal im Jahr, zum Saisonwechsel, unsere Sachen auf Events in den Städten anbieten und so dafür sorgen, dass niemand mehr Neuware kaufen muss. So müsste weniger neue Mode produziert werden. Das zumindest war mein Use Case (Anwendungsbeispiel, Anm. d. Red.), das ich erreichen wollte.
Ist Dir das gelungen?
Vinokilo jedenfalls wird sehr gut angenommen: Wir verkaufen 97 Prozent der Waren, die wir erhalten. Und unsere Events kommen gut an, allein im letzten Monat hatten wir 100.000 Besucher.
Diese Events, die in Deutschland und auch europaweit stattfinden, sind das Markenzeichen von Vinokilo. Was zeichnet sie aus?
Zentral ist, dass die Leute bei uns eine gute Zeit haben. Daher kommt ja auch der Name Vinokilo: Einen Vino trinken, über den Event schlendern und einen schönen Tag haben. Wir achten darauf Orte anzumieten, die das auch hergeben: mit viel Licht und hohen Decken. Früher haben wir üppig mit Luftballons dekoriert, das haben wir inzwischen aus Nachhaltigkeitsgründen aufgegeben.
„Wir tragen dazu bei, das Stigma der Secondhand-Mode zu beseitigen.“
Robin Balser, Vinokilo
Vor der Pandemie seid Ihr schnell gewachsen und musstet auch immer mehr Mode aus immer mehr Quellen erschließen. Wie gestaltet Ihr das Sourcing Eurer Ware?
Anfangs haben mein Partner und ich das selbst gemacht. Inzwischen sortiere ich selbst gar nicht mehr. Und der Sortierprozess ist das Geheimrezept von Vinokilo.
Was heißt das?
Anders als viele andere Firmen bilden wir eigene „Picker“ für den Sortierprozess aus. Und wir arbeiten mit einem Netzwerk an Recyclern, denen wir vertrauen und die nicht unter unlauteren Bedingungen an Orte verkaufen, an die wir nicht wollen.
Du spielst darauf an, dass manche Kleiderverwerter einen Großteil der Vintage-Ware nach Afrika exportieren und dort die heimischen Textilmärkte zerstören? Und, dass auch beim Aufbereiten von Secondhand-Ware zum Teil ausbeuterische Arbeitsbedingungen herrschen?
Ja. Wir haben hohe Ethikstandards. Und da wir ein vergleichsweise großes Unternehmen sind und große Mengen abnehmen, können wir uns aussuchen, mit wem wir arbeiten. Die gesamte Qualitätskontrolle übernimmt mein Partner, denn wir haben diesen Teil unseres Geschäfts in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert.
Du hast vorhin gesagt, dass ein zentraler Gedanke bei der Gründung von Vinokilo war, der Fast Fashion etwas entgegenzusetzen. Gelingt das mit Vinokilo?
Wir haben sicher ein Stück dazu beigetragen, das Stigma der Secondhand-Mode zu beseitigen. Aber es gibt noch mehr Treiber: Fridays for Future haben dem Thema Aufmerksamkeit verschafft und Corona ist eine Zäsur, die viele Menschen bewegt hat, ihr Konsumverhalten zu reflektieren …
… über Fridays for Future sagt man, es sei eine Bewegung für Akademikerkinder. Wie nimmt man alle anderen mit?
Ich finde beispielsweise, dass Vinokilo noch deutlich inklusiver sein könnte, auch in der Ansprache unterschiedlicher Altersgruppen. Und ich glaube, dass man nicht die Nase über die rümpfen sollte über Leute, die bei Primark einkaufen.
Weil Mode zu so geringen Preisen zu kaufen eben auch die Möglichkeit kultureller Teilhabe bedeutet?
Ganz genau. Ich denke wir müssen nachhaltige Lösungen finden, die nicht nur einer gesellschaftlichen Elite zugänglich sind. Sondern allen.
Vielen Dank für das Gespräch, Robin!
Alex Bohn ist leitende Redakteurin des Frankfurter Allgemeine Zeitung Quarterly und arbeitet als Autorin, Beraterin und Speaker zu den Themen Mode, Wirtschaft und Nachhaltigkeit für Kunden wie Mercedes-Benz, Glashütte, Audemars Piguet, Boss, Die Zeit und Condé Nast. Außerdem spielt sie leidenschaftlich gern Tennis.
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Erstklassig soll die Vintage-Mode sein, die Robin Balser mit seinem Unternehmen Vinokilo bietet. Warum Luftballons dabei nicht mehr helfen, Steamer aber schon, berichtet er aus seiner Zentrale im ehemaligen Kuemmerling-Werk im rheinlandpfälzischen Weinbaugebiet Bodenheim.
Interview: Alex Bohn // Fotos: Vinokilo
Auf Vintage-Mode hielt Robin Balser schon als Kind große Stücke. Denn seine Mutter kleidete ihn und seinen Bruder stets in Kleidung aus zweiter Hand. Aber nicht in irgendeiner, sondern in der seines Idols – des zwei Jahre älteren Nachbarsjungen Yanis. Für Robin Balser war klar: In dessen Klamotten war er cooler als jeder andere. Später studierte der gebürtige Rheinländer Wirtschaft in den Niederlanden, dann Schauspiel in London, brach beides ab und begann, eine Bibliothek für Kleidung zusammenzustellen. Die Idee: Warum Kleidung kaufen, wenn man sie auch leihen kann? Vor knapp zehn Jahren war die Welt für diese Idee noch nicht bereit, für seine zweite, das Secondhand-Unternehmen Vinokilo aber schon. Seit 2015 hat Balser sich als einer der größten Anbieter für Secondhand-Mode etabliert, das Wirtschaftsmagazin Forbes wählte ihn im letzten Jahr auf die Liste der vielversprechenden Unternehmer „30 under 30“ und würdigte ihn für die 240.000 Kilo Mode, denen er seit Gründung zu einem zweiten Leben verholfen hat.
Robin Balser
„Mode aus zweiter Hand ist nicht zweite Wahl. Sondern erstklassig. Die Art, wie wir Kleidung verkaufen ist qualitätsgetrieben. Auf unseren Events häufen wir sie nicht übereinander, sondern platzieren sie auf Bügeln und an Kleiderständern.“
Robin Balser, Vinokilo
Du hast für die Vintage-Mode, die Du mit Vinokilo anbietest den Begriff „The New New“ geprägt. Was bedeutet das?
Mode aus zweiter Hand ist nicht zweite Wahl. Sondern erstklassig. Die Art, wie wir Kleidung verkaufen ist qualitätsgetrieben. Auf unseren Events häufen wir sie nicht übereinander, sondern platzieren sie auf Bügeln und an Kleiderständern. Und legen die Finger zwischen die Bügel, so dass jedes Kleidungsstück genug Platz hat und schön präsentiert wird. Außerdem ist jedes Stück frisch gesteamt und wenn nötig durch kleine Reparaturen aufgearbeitet.
Lange galt das Vorurteil, dass Secondhand-Mode minderwertig ist, inzwischen bieten sie selbst Luxusmarken an. Als Du Vinokilo 2015 gegründet hast, war das noch nicht so, aber Secondhand-Shops gab es bereits viele. Was hat Dich an dem Thema gereizt?
Ich wollte eine Alternative zur Fast Fashion bieten. Mein romantisches Ideal war, dass wir zweimal im Jahr, zum Saisonwechsel, unsere Sachen auf Events in den Städten anbieten und so dafür sorgen, dass niemand mehr Neuware kaufen muss. So müsste weniger neue Mode produziert werden. Das zumindest war mein Use Case (Anwendungsbeispiel, Anm. d. Red.), das ich erreichen wollte.
Ist Dir das gelungen?
Vinokilo jedenfalls wird sehr gut angenommen: Wir verkaufen 97 Prozent der Waren, die wir erhalten. Und unsere Events kommen gut an, allein im letzten Monat hatten wir 100.000 Besucher.
Diese Events, die in Deutschland und auch europaweit stattfinden, sind das Markenzeichen von Vinokilo. Was zeichnet sie aus?
Zentral ist, dass die Leute bei uns eine gute Zeit haben. Daher kommt ja auch der Name Vinokilo: Einen Vino trinken, über den Event schlendern und einen schönen Tag haben. Wir achten darauf Orte anzumieten, die das auch hergeben: mit viel Licht und hohen Decken. Früher haben wir üppig mit Luftballons dekoriert, das haben wir inzwischen aus Nachhaltigkeitsgründen aufgegeben.
„Wir tragen dazu bei, das Stigma der Secondhand-Mode zu beseitigen.“
Robin Balser, Vinokilo
Vor der Pandemie seid Ihr schnell gewachsen und musstet auch immer mehr Mode aus immer mehr Quellen erschließen. Wie gestaltet Ihr das Sourcing Eurer Ware?
Anfangs haben mein Partner und ich das selbst gemacht. Inzwischen sortiere ich selbst gar nicht mehr. Und der Sortierprozess ist das Geheimrezept von Vinokilo.
Was heißt das?
Anders als viele andere Firmen bilden wir eigene „Picker“ für den Sortierprozess aus. Und wir arbeiten mit einem Netzwerk an Recyclern, denen wir vertrauen und die nicht unter unlauteren Bedingungen an Orte verkaufen, an die wir nicht wollen.
Du spielst darauf an, dass manche Kleiderverwerter einen Großteil der Vintage-Ware nach Afrika exportieren und dort die heimischen Textilmärkte zerstören? Und, dass auch beim Aufbereiten von Secondhand-Ware zum Teil ausbeuterische Arbeitsbedingungen herrschen?
Ja. Wir haben hohe Ethikstandards. Und da wir ein vergleichsweise großes Unternehmen sind und große Mengen abnehmen, können wir uns aussuchen, mit wem wir arbeiten. Die gesamte Qualitätskontrolle übernimmt mein Partner, denn wir haben diesen Teil unseres Geschäfts in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert.
Du hast vorhin gesagt, dass ein zentraler Gedanke bei der Gründung von Vinokilo war, der Fast Fashion etwas entgegenzusetzen. Gelingt das mit Vinokilo?
Wir haben sicher ein Stück dazu beigetragen, das Stigma der Secondhand-Mode zu beseitigen. Aber es gibt noch mehr Treiber: Fridays for Future haben dem Thema Aufmerksamkeit verschafft und Corona ist eine Zäsur, die viele Menschen bewegt hat, ihr Konsumverhalten zu reflektieren …
… über Fridays for Future sagt man, es sei eine Bewegung für Akademikerkinder. Wie nimmt man alle anderen mit?
Ich finde beispielsweise, dass Vinokilo noch deutlich inklusiver sein könnte, auch in der Ansprache unterschiedlicher Altersgruppen. Und ich glaube, dass man nicht die Nase über die rümpfen sollte über Leute, die bei Primark einkaufen.
Weil Mode zu so geringen Preisen zu kaufen eben auch die Möglichkeit kultureller Teilhabe bedeutet?
Ganz genau. Ich denke wir müssen nachhaltige Lösungen finden, die nicht nur einer gesellschaftlichen Elite zugänglich sind. Sondern allen.
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Alex Bohn ist leitende Redakteurin des Frankfurter Allgemeine Zeitung Quarterly und arbeitet als Autorin, Beraterin und Speaker zu den Themen Mode, Wirtschaft und Nachhaltigkeit für Kunden wie Mercedes-Benz, Glashütte, Audemars Piguet, Boss, Die Zeit und Condé Nast. Außerdem spielt sie leidenschaftlich gern Tennis.
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