fashion x values
PfefferminzGreen hat es sich zum Ziel gesetzt, ehemalige Beschneiderinnen aus Sierra Leone zu Textilschneiderinnen umzuschulen. Mit Stella Rothenberger, der Gründerin des gemeinnützigen Frankfurter Vereins, haben wir über weibliche Genitalverstümmelung und ihr Hilfsprojekt in Subsahara-Afrika gesprochen.
Text: Ubin Eoh // Fotos: Oliver Tamagnini
„Wir kennen sie alle: Bilder verarmter und hungernder Afrikaner auf den Plakaten großer Hilfsorganisation“, sagt Stella Rothenberger. Nachdem die Frankfurterin mit niederländischen Wurzeln in Südafrika, Tansania und Äthiopien gemeinnützig gearbeitet hat, wollte sie weg von diesem Leitbild der westlich geprägten Entwicklungshilfe. „2005 kamen mein Ehemann, ein paar Freunde und ich so auf die Idee, eine kleine Organisation zu gründen, die diese Problematik auf eine frische und positive Weise aufgreift und dabei nicht mit den uns bekannten Bildern aus Afrika wirbt. Von daher der Name: PfefferminzGreen“, sagt Stella Rothenberger. Der Fokus ihrer Arbeit liegt in der engen Zusammenarbeit mit lokalen Nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) in Subsahara-Afrika. Alle Projekte werden gemeinsam mit Dorfgemeinschaften geplant, fangen überschaubar an und haben das Potenzial aus eigener Kraft zu wachsen, ganz nach dem Bottom-Up-Prinzip. Auf 16 Jahre blicken Stella Rothenberger und ihr Frankfurter Verein zurück. Sie haben in Afrika Jugendzentren und Brunnen gebaut, Bienenprojekte in Dörfern hochgezogen, die durch den Honig Einkommen für Familien sichern konnten und viele zinslose Mikrokredite vergeben, damit mittellose Menschen sich selbstständig Existenzen aufbauen konnten – vom Café bis zur Schafszucht. Wie finanziert der Verein diese Projekte? Mittlerweile hat sich eine solide Basis großzügiger Freunde gebildet, die unterstützend zur Seite steht. Außerdem veranstaltet PfefferminzGreen regelmäßig Dinnerpartys und Konzerte, Verkäufe von Produkten aus eigener Produktion sowie Spendenaufrufe, um die Projekte in Afrika zu finanzieren.
„In Sierra Leone zeigen Maßnahmen und Kampagnen im Kampf gegen die weibliche Beschneidung nur dann Erfolg, wenn die sozialen Zusammenhänge in Bezug auf Religion, Kultur, Hexerei, Zusammenleben der Community verstanden und berücksichtigt werden.“
Stella Rothenberger
Seit einigen Jahren setzt sich der Verein, gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation AIM, für die Rechte von Frauen und Mädchen ein. Eine besondere Herausforderung ist die sozial hochangesehene Praktik der FGM „Female Genitale Mutilation“ (weibliche Genitalverstümmelung). Hierbei werden die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane junger Frauen in gewaltvollen Praktiken teilweise oder vollständig amputiert. In Sierra Leone existiert seit Jahrhunderten die sogenannte Bondo Society, ein Geheimbund für Frauen, dessen Anerkennung ein zentrales Ziel im Leben der Frauen ist. In der Bondo Society wird der Übergang vom Kind ins Erwachsenenalter zelebriert. Unter anderem lernen die Jugendlichen verschiedene kulturell bedeutsame Bräuche sowie gemeinschaftsrelevante Fähigkeiten kennen. Die Beschneidung ist das wesentliche Aufnahmekriterium. „Die Tatsache, dass FGM innerhalb der Geheimbünde praktiziert wird und die ‚Soweis‘ – also Frauen, die die Beschneidung durchführen, in der Community hoch angesehen werden, macht es schwierig, dieses Ritual zu bekämpfen. In Sierra Leone zeigen Maßnahmen und Kampagnen im Kampf gegen die weibliche Beschneidung nur dann Erfolg, wenn die sozialen Zusammenhänge in Bezug auf Religion, Kultur, Hexerei, Zusammenleben der Community verstanden und berücksichtigt werden” sagt Stella Rothenberger. Zauberwort: (Aus-)Bildung. PfefferminzGreen und AIM bauen derzeit Schulen, in denen die kommenden Generationen gemeinsam mit den Eltern früh zu den Themen Frauenrechte und FGM aufgeklärt werden. 2019 konnten die beiden NGOs eine kleine Schneiderei als Ausbildungszentrum für Frauen in Sierra Leone aufbauen. Hier werden ehemalige Beschneiderinnen zu Textilschneiderinnen umgeschult, die so schon Kissenbezüge, Schlappen und Taschen für das Frankfurter Hotel LINDLEY LINDENBERG als Auftragsarbeit nähen konnten. Während des Corona Ausbruchs haben die Schneiderinnen Atemmasken genäht, um die Menschen in den Dörfern zu schützen. Zurzeit produzieren sie Kochschürzen in bunten westafrikanischen Stoffen, die PfefferminzGreen vor Weihnachten 2021 gegen eine Spende „verkauft“. 100 % dieser Spenden werden weitergeleitet, womit der Ausbau der Schneiderei realisiert werden soll. „Grundsätzlich haben alle Frauen, die ich in Sierra Leone kennengelernt habe, ein großes Interesse für schöne und bunte Textilien. Es kann sich jedoch kaum eine Frau Stoffe leisten. Die Möglichkeit, in der Schneiderei das Handwerk zu erlernen und Kleider zu nähen erfüllt die Frauen mit Stolz“ so Stella Rothenberger.
„Es wäre großartig, eine Modefirma zu finden, die sich für unsere Arbeit interessiert. Neben der Herstellung schöner Produkte, könnte man gemeinsam ein Umdenken in der Entwicklungshilfe erreichen.“
Stella Rothenberger
Die größte Errungenschaft im Kampf gegen FGM? „Im Dezember 2019 konnten wir unseren größten Erfolg feiern: Mehr als 100 Mädchen wurden offiziell in die Bondo Society aufgenommen, ohne am traditionellen Ritual teilzunehmen. Erstmals in der Geschichte Sierra Leones spielte die Beschneidung der Mädchen bei der Aufnahme neuer Mitglieder keine Rolle und sprach sich eine Gruppe von Soweis öffentlich gegen FGM aus. Die Mädchen verbrachten einige Wochen während der Schulferien im geheimen Bondo Bush und wurden dort von den ehemaligen Soweis ausgebildet. Die Direktorin von AIM, Rugiatu Neneh Turay , erklärte: ‚We want to eliminate all harmful traditional practices but keep the beauty of the Bondo Culture‘. Mit der Initiierung Ende 2019 wurde dies erstmals vollumfänglich erreicht. “Es wäre großartig, eine Modefirma zu finden, die sich für unsere Arbeit interessiert. Neben der Herstellung schöner Produkte, könnte man gemeinsam ein Umdenken in der Entwicklungshilfe erreichen“, sagt Stella Rothenberger. Die Zukunft der Modeindustrie könnte doch genau das sein: Eine gesunde, soziale Wertschöpfungskette, mit Gewinnern auf allen Seiten.
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PfefferminzGreen hat es sich zum Ziel gesetzt, ehemalige Beschneiderinnen aus Sierra Leone zu Textilschneiderinnen umzuschulen. Mit Stella Rothenberger, der Gründerin des gemeinnützigen Frankfurter Vereins, haben wir über weibliche Genitalverstümmelung und ihr Hilfsprojekt in Subsahara-Afrika gesprochen.
Text: Ubin Eoh // Fotos: Oliver Tamagnini
„Wir kennen sie alle: Bilder verarmter und hungernder Afrikaner auf den Plakaten großer Hilfsorganisation“, sagt Stella Rothenberger. Nachdem die Frankfurterin mit niederländischen Wurzeln in Südafrika, Tansania und Äthiopien gemeinnützig gearbeitet hat, wollte sie weg von diesem Leitbild der westlich geprägten Entwicklungshilfe. „2005 kamen mein Ehemann, ein paar Freunde und ich so auf die Idee, eine kleine Organisation zu gründen, die diese Problematik auf eine frische und positive Weise aufgreift und dabei nicht mit den uns bekannten Bildern aus Afrika wirbt. Von daher der Name: PfefferminzGreen“, sagt Stella Rothenberger. Der Fokus ihrer Arbeit liegt in der engen Zusammenarbeit mit lokalen Nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) in Subsahara-Afrika. Alle Projekte werden gemeinsam mit Dorfgemeinschaften geplant, fangen überschaubar an und haben das Potenzial aus eigener Kraft zu wachsen, ganz nach dem Bottom-Up-Prinzip. Auf 16 Jahre blicken Stella Rothenberger und ihr Frankfurter Verein zurück. Sie haben in Afrika Jugendzentren und Brunnen gebaut, Bienenprojekte in Dörfern hochgezogen, die durch den Honig Einkommen für Familien sichern konnten und viele zinslose Mikrokredite vergeben, damit mittellose Menschen sich selbstständig Existenzen aufbauen konnten – vom Café bis zur Schafszucht. Wie finanziert der Verein diese Projekte? Mittlerweile hat sich eine solide Basis großzügiger Freunde gebildet, die unterstützend zur Seite steht. Außerdem veranstaltet PfefferminzGreen regelmäßig Dinnerpartys und Konzerte, Verkäufe von Produkten aus eigener Produktion sowie Spendenaufrufe, um die Projekte in Afrika zu finanzieren.
„In Sierra Leone zeigen Maßnahmen und Kampagnen im Kampf gegen die weibliche Beschneidung nur dann Erfolg, wenn die sozialen Zusammenhänge in Bezug auf Religion, Kultur, Hexerei, Zusammenleben der Community verstanden und berücksichtigt werden.“
Stella Rothenberger
Seit einigen Jahren setzt sich der Verein, gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation AIM, für die Rechte von Frauen und Mädchen ein. Eine besondere Herausforderung ist die sozial hochangesehene Praktik der FGM „Female Genitale Mutilation“ (weibliche Genitalverstümmelung). Hierbei werden die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane junger Frauen in gewaltvollen Praktiken teilweise oder vollständig amputiert. In Sierra Leone existiert seit Jahrhunderten die sogenannte Bondo Society, ein Geheimbund für Frauen, dessen Anerkennung ein zentrales Ziel im Leben der Frauen ist. In der Bondo Society wird der Übergang vom Kind ins Erwachsenenalter zelebriert. Unter anderem lernen die Jugendlichen verschiedene kulturell bedeutsame Bräuche sowie gemeinschaftsrelevante Fähigkeiten kennen. Die Beschneidung ist das wesentliche Aufnahmekriterium. „Die Tatsache, dass FGM innerhalb der Geheimbünde praktiziert wird und die ‚Soweis‘ – also Frauen, die die Beschneidung durchführen, in der Community hoch angesehen werden, macht es schwierig, dieses Ritual zu bekämpfen. In Sierra Leone zeigen Maßnahmen und Kampagnen im Kampf gegen die weibliche Beschneidung nur dann Erfolg, wenn die sozialen Zusammenhänge in Bezug auf Religion, Kultur, Hexerei, Zusammenleben der Community verstanden und berücksichtigt werden” sagt Stella Rothenberger. Zauberwort: (Aus-)Bildung. PfefferminzGreen und AIM bauen derzeit Schulen, in denen die kommenden Generationen gemeinsam mit den Eltern früh zu den Themen Frauenrechte und FGM aufgeklärt werden. 2019 konnten die beiden NGOs eine kleine Schneiderei als Ausbildungszentrum für Frauen in Sierra Leone aufbauen. Hier werden ehemalige Beschneiderinnen zu Textilschneiderinnen umgeschult, die so schon Kissenbezüge, Schlappen und Taschen für das Frankfurter Hotel LINDLEY LINDENBERG als Auftragsarbeit nähen konnten. Während des Corona Ausbruchs haben die Schneiderinnen Atemmasken genäht, um die Menschen in den Dörfern zu schützen. Zurzeit produzieren sie Kochschürzen in bunten westafrikanischen Stoffen, die PfefferminzGreen vor Weihnachten 2021 gegen eine Spende „verkauft“. 100 % dieser Spenden werden weitergeleitet, womit der Ausbau der Schneiderei realisiert werden soll. „Grundsätzlich haben alle Frauen, die ich in Sierra Leone kennengelernt habe, ein großes Interesse für schöne und bunte Textilien. Es kann sich jedoch kaum eine Frau Stoffe leisten. Die Möglichkeit, in der Schneiderei das Handwerk zu erlernen und Kleider zu nähen erfüllt die Frauen mit Stolz“ so Stella Rothenberger.
„Es wäre großartig, eine Modefirma zu finden, die sich für unsere Arbeit interessiert. Neben der Herstellung schöner Produkte, könnte man gemeinsam ein Umdenken in der Entwicklungshilfe erreichen.“
Stella Rothenberger
Die größte Errungenschaft im Kampf gegen FGM? „Im Dezember 2019 konnten wir unseren größten Erfolg feiern: Mehr als 100 Mädchen wurden offiziell in die Bondo Society aufgenommen, ohne am traditionellen Ritual teilzunehmen. Erstmals in der Geschichte Sierra Leones spielte die Beschneidung der Mädchen bei der Aufnahme neuer Mitglieder keine Rolle und sprach sich eine Gruppe von Soweis öffentlich gegen FGM aus. Die Mädchen verbrachten einige Wochen während der Schulferien im geheimen Bondo Bush und wurden dort von den ehemaligen Soweis ausgebildet. Die Direktorin von AIM, Rugiatu Neneh Turay , erklärte: ‚We want to eliminate all harmful traditional practices but keep the beauty of the Bondo Culture‘. Mit der Initiierung Ende 2019 wurde dies erstmals vollumfänglich erreicht. “Es wäre großartig, eine Modefirma zu finden, die sich für unsere Arbeit interessiert. Neben der Herstellung schöner Produkte, könnte man gemeinsam ein Umdenken in der Entwicklungshilfe erreichen“, sagt Stella Rothenberger. Die Zukunft der Modeindustrie könnte doch genau das sein: Eine gesunde, soziale Wertschöpfungskette, mit Gewinnern auf allen Seiten.
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